Rede auf dem SlutWalk Berlin

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Ute Kalender profitiert von allen momentanen Privilegien unserer behindertenfeindlichen Gesellschaft, in der sie selbst selbst als nicht behindert gilt.

Sie setzt sich seit Jahren theoretisch und praktisch für Interventionen ein, denen das Label Queer Crip verpasst wurde. - Das nicht nur aus Solidarität, sondern auch weil sie denkt, dass für vermeintlich Nicht-Behinderte viel rausspringen kann.

Den Text hat sie zusammen mit Matthias Vernaldi geschrieben. Politisch findet sie Positionen wie den AK MOB (Arbeitskreis von Leuten mit und ohne Behinderung) und das Mondkalb, die Zeitschrift für das organisierte Gebrechen, richtig:

For the possibility to be sexy and sexual, against sexual violence:
Queer-crips go slut!Was sich für die einen als Zwang und tägliche Zumutung darstellt, ist für die anderen nichts Selbstverständliches: als begehrenswert und sexy gesehen zu werden, überhaupt als sexuelles Wesen.Frauen, Männer, Queers, Trans*personen oder Intersexuelle mit Behinderung werden in erster Linie als behindert und deshalb als sexuelle Neutren wahrgenommen.Eine permanente Erfahrung ist ignoriert, konstant aus dem Spiel des Flirtens, Datens und Sexhabens ausgeschlossen zu werden, oder auch als Protagonistinnen in Pornos, von Burlesque Parties oder auf queer-feministischen Sexparties nicht aufzutauchen.Ebenso gehört dazu, nicht gefragt zu werden, warum mensch noch keine oder wann mensch Kinder haben will.Diese Verhältnisse werden in der Regel kaum benannt.Auch Pro-Sexfeministinnen oder queere Zusammenhänge bieten selten bessere Bedingungen.Mehr noch: Queere Feier- und Sexzusammenhänge sind oft noch stärker durch fragliche Schönheits- und Körperideale und durch den Imperativ des Sexhabens und des Sexyseinmüssens geprägt. Die Normen verlaufen nicht quer, sondern parallel zu denen der Leistungssexgesellschaft.Sexuelle Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung ist also oft nur sehr begrenzt möglich. Das hat zum einen damit zu tun, dass Behinderung sozial und erotisch für unattraktiv gehalten wird.Als Sexualpartner, gar als Partner für den Alltag, begehrt zu werden, lässt sich nicht so einfach einfordern wie z. B. ein Aufzug für einen U-Bahnhof oder eine Rampe in ein Museum.Gleichzeitig sind Menschen vor allem Frauen mit Behinderung sexuellen Übergriffen ausgesetzt und so ihrer Selbstbestimmung auf traumatische Weise beraubt. Die Gründe hierfür liegen darin, dass sie sich in Einrichtungen und Familien in starken Abhängigkeitsverhältnissen befinden.Es muss die vorherrschende Sexökonomie aufgebrochen und verändert werden, die Menschen mit Behinderung zu sexuellen Neutren degradiert und ihnen die Möglichkeit zu sexueller Selbstbestimmung nimmt, die allen Menschen die Last auferlegt, sexy sein zu müssen, und dies in Gewaltverhältnissen jeglicher Art spiegelt und manifestiert.
Im Falle behinderter Menschen wäre es ein wichtiger Schritt in diese Richtung, wenn sie unabhängig leben könnten• also eine eigene Wohnung, statt einer Einrichtung;• Assistenten, denen sie sagen können, was diese für sie tun sollen, statt Personal, welches den gesamten Alltag strukturiert;• eine Gesetzgebung, die sie nicht ein Leben lang im Status von Sozialhilfeempfängern belässt und eventuelle Ehe- oder Lebenspartner in Mithaftung nimmt;• eine barrierefreie Öffentlichkeit nicht nur bei Verkehrsmitteln, Ämtern und Behörden, sondern auch bei Clubs, Restaurants, Kinos und Schwimmbädern.Das ist noch lange keine Gesellschaft, die frei ist vom Imperativ, Sex zu haben, keine Gesellschaft, die frei davon ist, Menschen einen sexuellen Wert zu zuschreiben und sie davon ausgehend hierarchisch einzuordnen, den meisten Frauen den Druck aufzuerlegen, Kinder zu bekommen, jedoch bestimmte Frauen als reproduktiv nicht wünschenswert auszuschließen.Aber es wäre eine Gesellschaft, in der auch schwerbehinderte Menschen die Möglichkeit haben, ihr Leben zu gestalten und auch in Bezug auf Sex zu sagen:“Das will ich. Das wünsche ich mir. Mal sehen, wie es sich umsetzen lässt.” und in der sie gegebenenfalls auch “nein” sagen können.